Skip to main content

Selbstliebe - Zugang zu unseren Gefühlen und Bedürfnissen

In den ersten Monaten nach unserer Geburt sind wir mit unseren Gefühlen noch eng verbunden. Wir spüren und äußern sie unmittelbar sowie unverfälscht. Man könnte sagen: Am Anfang unseres Lebens sind wir unsere Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Kälte etc. und die daraus resultierenden Gefühle von Lust und Unlust. Die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse erfahren wir als Zuwendung, Akzeptanz, Schutz, Fürsorge, Geborgenheit. Mangelhaft oder gar nicht befriedigte Bedürfnisse sind in dieser Phase hingegen gleichbedeutend mit ungeliebt sein, sich vernachlässigt fühlen, ungeschützt sein. Gleichzeitig stehen uns nur wenige Ausdrucksformen zur Verfügung, was ein hohes Einfühlungsvermögen von den Eltern verlangt, um alle Nuancen von Schreien, Weinen und Strampeln richtig zu deuten.

Sowohl vor als auch in den ersten Monaten nach der Geburt ist die Verbindung zwischen Mutter und Säugling symbiotisch. Positive wie negative Emotionen des einen beeinflussen das Empfinden des anderen. Im Idealfall lernt das Kind, all seine Bedürfnisse und Gefühle zu äußern, und erfährt in den sowohl spiegelnden als auch fürsorglichen Reaktionen der Mutter, dass sie verstanden und befriedigt werden. Kurz: Es darf sein, wie es ist, und bekommt, was es braucht.

Durch die symbiotische Verbundenheit wirken sich allerdings auch negative Emotionen der Mutter sehr schnell auf die Befindlichkeit des Kleinkinds aus. Wut, Angst, Trauer oder Depression der Mutter führen auch beim Säugling zu emotionalem Stress. Dieser nimmt entsprechende Stimmungen äußerst sensibel auf und reagiert darauf. Die Mutter ist für das Baby überlebenswichtig und im Zweifel wird es sich zurücknehmen, um die Mutter nicht zu überfordern. Erlebt es die Mutter z.B. als emotional bedroht, wird es seine Bemühungen schrittweise reduzieren, die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse einzufordern. Sie werden dann nicht erkannt und in der Regel auch nicht erfüllt. Dies ist aber für das Kleinkind eher zu verkraften als den Schutz und die Geborgenheit der Mutter zu verlieren.


Wir lernen also in den ersten Wochen unseres Lebens in nie mehr wiederkehrender Intensität, ob die Welt (meist in Gestalt unserer Mutter) uns mit offenen Armen empfängt, um für uns zu sorgen, oder ob wir mit unserem Sein und Wollen Rücksicht zu nehmen haben. Erfahren wir in dieser Zeit eine gesunde Resonanz auf unserer Gefühle und Bedürfnisse durch entsprechende Zuwendungen, werden wir  auch im weiteren Leben einen guten Zugang zu unserer Gefühlswelt haben (solange wir von anderen traumatischen Erlebnissen verschont bleiben). Wir äußern unsere Bedürfnisse dann in der Zuversicht, dass sie eine Berechtigung haben und die Menschen, die uns nahe stehen, sie wichtig nehmen.

Dadurch äußert sich eine gesunde Selbstliebe, die nach meinen Erfahrungen die grundlegendste Ressource unseres Selbstwertgefühls darstellt. Sie bietet für alle anderen Selbstwert-Bausteine ein sicheres Fundament. Haben wir nur eine geringe Selbstliebe, verlangt die Stabilisierung unseres Selbstwertgefühls ein erhebliches Mehr an Energie. Dieser zusätzliche Energiebedarf resultiert auch daraus, dass unsere Gefühle und Bedürfnisse ein äußerst zuverlässiger innerer Kompass sind. Haben wir keinen guten Zugang dazu, fällt es uns meist schwer zu spüren, wohin wir wollen und was uns wichtig ist.

Und zum Schluss sei noch ergänzt, dass uns Selbstliebe in der Regel auch genussfähig macht. Der Wunsch, das Leben genießen zu wollen, schützt uns nicht nur vor Ersatzdrogen wie Arbeitssucht, Internetsucht oder Kaufsucht. Es schützt uns auch davor, es vornehmlich anderen recht machen zu wollen und uns dadurch zu überfordern. Ohne diesen Schutz muss die Selbstwert-Ressource Selbstvertrauen deutlich mehr Lasten tragen. Eine einseitige Lastenverteilung jedoch kann irgendwann zur Quelle seelischer Leiden werden.

Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt!

(Albert Schweitzer)

Hund und Katze