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Aufschlussreiche Größenunterschiede bei Primaten (Penis, Hoden etc.)


Schon im Abschnitt Primaten-Sex habe ich das Paarungsverhalten von Schimpansen und Bonobos beschrieben, unsere entwicklungsgeschichtlich engsten Verwandten. Hier nochmal ein kurzer Überblick über die Unterschiede in der Sexualität der verschiedenen Primaten-Arten: Sowohl bei Bonobos als auch bei Schimpansen haben beide Geschlechter Sex mit einer Vielzahl von Partnern (durchaus mehrere am gleichen Tag). Während es jedoch bei Schimpansen eine klare Hierarchie unter den Männchen mit unmittelbarem Einfluss auf sexuelle Vorrechte gibt, existieren Hierarchien in Bonobo-Gesellschaften allenfalls unter Weibchen (ohne Auswirkungen auf die Paarung). Bei Gorillas hat der Silberrücken als Alpha-Tier der jeweiligen Gruppe das Vorrecht auf Sex mit jedem Weibchen (Prinzip: The winner takes it all). Orang-Utans leben als einzige Spezies der großen Menschenaffen vorwiegend auf Bäumen und nicht in Gruppen. Sie paaren sich nach dem Zufallsprinzip ohne vorherige und anschließende Bindungen.

Dieser Überblick ist für die nachfolgenden Ausführungen insofern hilfreich, als körperliche Merkmale Rückschlüsse auf das Paarungsverhalten (und damit auf die Wahrscheinlichkeit von Spermienkonkurrenz) zulassen:

Geschlechtsspezifische Größenunterschiede

Differenziert man die einzelnen Primaten-Arten nach geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Körpergröße, wird ein Zusammenhang zu den jeweiligen Paarungssystemen erkennbar. Schauen wir uns die konkreten Größenunterschiede zwischen Männchen und Weibchen an, so lassen sie sich in zwei Gruppen aufteilen:

  • Gorillas und Orang-Utans: Männchen sind durchschnittlich doppelt so groß wie Weibchen
  • Menschen, Schimpansen, Bonobos: Männchen sind ca. 10-20% größer als Weibchen

Da bei Gorillas sich das stärkste Männchen mit allen Weibchen paart, wird der größte und stärkste Gorilla seine Gene für körperliche Stärke und Größe an die nächste Generation weitergeben. Auf diese Weise werden Gorilla-Männer mit der Zeit immer stärker und - über den langen Zeitraum der Evolution betrachtet - auch immer größer.

Der überschaubare Unterschied der menschlichen Körpergröße lässt hingegen den Schluss zu, dass Männer während der prähistorischen Jahrhunderte nicht in dem Maße um Frauen gekämpft haben wie Gorillas, sondern eher wie Schimpansen und Bonobos. Und wenn die drei am engsten verwandten Menschenaffen ein vergleichbares Maß an körperlichen Größenunterschieden zwischen den Geschlechtern aufweisen, liegt die Vermutung nahe, dass dies auch eine vergleichbare Anpassung an das sexuelle Miteinander widerspiegelt.

Hodengröße und -lage

Männliche Menschenaffen, die in größeren Gruppen leben - wie Schimpansen, Bonobos und Menschen -, haben größere Hoden, die in einem außenliegenden Hodensack untergebracht sind. Sie werden außerdem später geschlechtsreif als die Frauen und produzieren größere Volumina an Ejakulat mit höheren Spermien-Konzentrationen als Primaten, bei denen sich die Frauen normalerweise nur mit einem Mann pro Zyklus paaren - wie Gorillas und Orang-Utans.

Die Existenz eines außenliegenden Hodensacks weist daraufhin, dass es für die Fortpflanzung wichtig war, dass die Hoden ein paar Grad unter der Temperatur im Körperinneren gehalten werden. So lassen sich nämlich mehr Samenzellen speichern, die gekühlt länger lebensfähig bleiben. 

Arten, die häufig Geschlechtsverkehr haben, besitzen größere Hoden (insb. im Vergleich zum Körpergewicht). Besonders groß sind diese, wenn mehrere Männchen mit einem fruchtbaren Weibchen verkehren. Die einfache Formel lautet: Je größer die Hoden der Männchen bei einer Spezies, desto wahrscheinlicher ist es, dass Männchen und Weibchen sich mehrfach am Tag paaren.

Nun sind die im Körperinneren befindlichen Gorilla-Hoden etwa so groß wie Kidneybohnen. Deutlich größere Hoden haben Menschen und Schimpansen. Und die Hoden der Bonobos haben etwa die Größe von XL-Hühnereiern. Die gleichen Extreme finden sich wieder bei der Penisgröße. Der Penis der ca. 200 kg schweren Gorillas ist im erigierten Zustand etwa 3cm lang. Der Penis der etwa ein Viertel so viel wiegenden Bonobos ist dagegen dreimal so lang.

Diese signifikanten Unterschiede zwischen insb. Gorillas und Bonobos beruhen darauf, dass bei den Bonobos die Konkurrenz bei der Fortpflanzung auf der Ebene der Samenzellen stattfindet. Bei Gorillas hingegen auf der Ebene körperlicher Auseinandersetzungen.

Die Besonderheit des menschlichen Penis

Unter allen lebenden Primaten haben Menschen den längsten, dicksten und auch den flexibelsten Penis sowie eine ungewöhnlich ausgestellte Eichel. Die Kombination dieser biologischen Eigenschaften mit den Rein-Raus-Bewegungen beim Sex erzeugt ein Vakuum in der Vagina. Durch dieses Vakuum werden zuvor eingebrachte Samen wieder von der Eizelle weggesaugt. Damit die eigenen Spermien nicht selbst durch das Vakuum behindert werden, schrumpft bei der Ejakulation der Peniskopf, und hebt so den Sog wieder auf. Professor Gordon G. Gallup, der mit seinem Team den Prozess der Samenverdrängung im Labor reproduziert hat: "Nach unserer Theorie entwickelte sich die einzigartige Form des menschlichen Penis, der Samen anderer Männer aus der Vagina entfernen kann, durch die Konkurrenz um die Vaterschaft.“

Soweit zu den biologischen Hinweisen auf Spermienkonkurrenz beim Bemühen, die eigenen Gene weiterzugeben. Doch wie genau funktioniert dieser Kampf in den weiblichen Fortpflanzungs-Organen?

Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.

(Antoine de Saint-Exupéry)