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Selbstvertrauen – Selbstwert-Pfeiler der Leistungsgesellschaft

Irgendwann in unserer frühkindlichen Entwicklung leitet uns ein innerer Impuls, die bisherige symbiotische Bindung zur Mutter zu verlassen, um neugierig unsere kleine Welt zu erforschen. Ein erfolgreiches Erleben und Meistern dieser ersten Autonomie-Versuche ist wichtig für den Aufbau eines gesunden Selbstvertrauens. Spielt in der symbiotischen Bindungsphase die Mutter eine herausragende Rolle für die emotionale kindliche Entwicklung, so erhält jetzt auch der Vater Gelegenheit, seinen Beitrag zu leisten. Er kann das Kind in seinen Autonomiebestrebungen unterstützen und ihm so den allmählichen Ablösungsprozess von der Mutter erleichtern.

Die Quelle unseres Selbstvertrauens entspringt also unserer Neugier, unserem „Eroberungsbedürfnis“, sowie unserem Wunsch, eigene Ziele zu definieren und zu erreichen. Werden wir dabei zuversichtlich unterstützt, lernen wir, welchen inneren und äußeren Anforderungen wir in Bezug auf unterschiedliche Situationen gewachsen sind. Außerdem entwickeln wir Zutrauen in die eigene Entscheidungs- und Handlungskompetenz. Damit speist sich Selbstvertrauen aus unseren individuellen Fähigkeiten sowie den erworbenen Fertigkeiten und Kompetenzen. Erfolgreich bewältigte Aufgaben und erreichte Ziele sind die Meilensteine auf dem Weg dorthin.

Das Zutrauen in die Fähigkeit, Dinge nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten zu können, wird in der Psychologie mit dem Begriff der „Selbstwirksamkeit“ bezeichnet. Auf die Frage, was Menschen davor schützt, depressiv zu werden, lautet eine Antwort: positive Erfahrungen, das eigene Umfeld selbstwirksam beeinflussen zu können, stärken den Glauben, Einfluss auf die Geschicke seines Lebens nehmen und selbst gesteckte Ziele erreichen zu können. Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht hingegen verstärken das Risiko einer Depression und sind damit Gegenteil von Selbstvertrauen/ Selbstwirksamkeit.

Selbstvertrauen ist also einer der wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen Depressionen. Umgekehrt lähmen depressive Verstimmungen unser Handeln und erschüttern damit auch sofort unser Selbstvertrauen. Diese Wechselwirkung kann sowohl im Positiven als auch im Negativen zu einem sich selbst verstärkenden Prozess führen. Besonders gefährlich wird dies in Stresssituationen, wo durch innere oder äußere Überforderung die eigene Handlungsfähigkeit zunehmend eingeschränkt wird. Dadurch kann eine Abwärtsspirale in Gang kommen, an deren Ende eine Erschöpfungs-Depression droht – mittlerweile gerne mit dem Modewort „Burn-out“ bezeichnet. Die Wiedergewinnung unseres Selbstvertrauens ist dann meist ein mühsamer Prozess. Ein Weg dahin ist, uns zunächst vornehmlich denjenigen Aufgaben zu stellen, die wir bewältigen können. Und uns dann selbst dafür zu loben, anstatt auf die Anerkennung anderer zu warten.

Nicht wenige Menschen in unserer heutigen „Leistungsgesellschaft“ haben ein gut ausgebildetes Selbstvertrauen bei gleichzeitig geringer Selbstliebe. Ihr Selbstwertgefühl hat also - bildlich gesprochen - stark Schlagseite. Solche Personen sind in der Regel gut an einseitigen Wertesystemen zu erkennen, die Leistung, Verantwortung und messbaren Erfolgen betonen (mein Haus, meine Familie, mein Job, mein Bankkonto). Da sie sehr schnell Gefühle von Leere und Langeweile empfinden, scheuen sie sich davor, zur Ruhe zu kommen. Und aufgrund ihres unterentwickelten Zugangs zur eigenen Gefühls- und Bedürfniswelt, haben sie eine nur gering ausgeprägte Genussfähigkeit.

All dies macht deutlich, dass Selbstvertrauen als Haupt-Standbein unseres Selbstwertgefühls ein latentes Risiko birgt. Denn wird die Leistungsfähigkeit als Erfolgsgarant plötzlich beeinträchtigt, werden unmittelbar alte Selbstzweifel aktiviert. Ein unkalkulierbarer, „schicksalhafter“ Verlust von Gesundheit, Macht/Geld oder einem nahestehenden Menschen erzeugen schnell Hilflosigkeits- und Ohnmachtsgefühle. Dies kann ein Selbstwertgefühl, das sich vornehmlich aus Selbstvertrauen speist, wie ein Kartenhaus zusammenbrechen lassen.

Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt!

(Albert Schweitzer)

Hund und Katze