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Liebe, Lust und Sex im Matching-Fieber (die Verheißungen des Online-Datings)


So wie die sexuelle Revolution unserer Sehnsucht nach uneingeschränkt ausgelebter Lust und Abenteuer zum Ausdruck verholfen hat, so steht die Rückbesinnung auf das romantische Liebesideal für unsere Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit. Das jahrzehntelange Ringen um möglichst umfassende Befriedigung all dieser Bedürfnisse erkennen wir heute an einer Entwicklung, für die beispielhaft die Begriffe „serielle Monogamie“ und „Lebensabschnittspartner“ stehen.

Psychologen, Soziologen und sonstige Gesellschaftsforscher fühlen der Gesellschaft den Puls bzgl. Sex, Liebe und Partnerschaft, desgleichen die eingängigen Klatschblätter bei Promis und Royals. Die Diagnosen sind vergleichbar: das Scheitern dessen, was gemeinhin als Liebesbeziehung bezeichnet wird, nimmt zu. Ehen werden häufiger durch Trennung als durch Tod beendet. Das heutige Beziehungsleben umfasst mehrere Partnerschaften - Lebensabschnittspartner eben.

Diese Entwicklung wird begünstigt durch den immer größer werdenden Markt an Onlinedating-Portalen, die Lebenspartner und/oder Sexpartner vermitteln. Hier finden sich Angebot und Nachfrage für jeden Wunsch, jede Sehnsucht, jedes Bedürfnis, von der „schnellen Nummer“ über außergewöhnliche sexuelle Vorlieben bis hin zur Suche nach „dem/der Einen“. Alles eine Frage des richtigen "Matchings"!? Ähnliches gilt für alle möglichen Spielarten von Pornographie, die mit dem Internet so umfangreich - und zugleich kostenlos - konsumierbar geworden sind, wie nie zuvor.

Dieser Markt der tausend Möglichkeiten hat zusammen mit der zunehmenden wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen die Bereitschaft erhöht, sich zu trennen, wenn die Beziehung sich defizitär anfühlt. Hinzu kommt das kulturell weiterhin etablierte Liebesideal der größtmöglichen Übereinstimmung im Denken und Fühlen bei zugleich ungebrochener sexueller Attraktivität und Aktivität. Dies alles zusammen führt zu einer nachlassenden Toleranz gegenüber vermeintlichen Schwächen und Fehlern des Partners. Die Bereitschaft auch in schwierigen Phasen der Beziehung durchzuhalten und um gegenseitiges Verständnis und Kompromisse zu ringen, hat sich reduziert.

Gleichzeitig wird dem Lebensglück durch eine erfüllende Partnerschaft eine immer höhere Bedeutung beigemessen. Dabei soll die Sexualität zumindest befriedigend sein, besser jedoch leidenschaftlich, auch über die Phase der Verliebtheit hinaus. Ist dies nicht der Fall kommt schnell sexueller Frust auf. Und der entlädt sich entweder in zermürbenden Konflikten innerhalb der Partnerschaft und/oder außerhalb in Form von Seitensprüngen und Affären.

Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.

(Antoine de Saint-Exupéry)